Die schwache Autorität biblischer Texte im Religionsunterricht
Ein Plädoyer für mehr Geschichtsphilosophie im Kontext biblischen Lernens
DOI:
https://doi.org/10.20377/rpb-162Schlagworte:
biblisches Lernen, Subjektorientierung, Religionsunterricht, Bedeutung biblischer Texte, GeschichtsphilosophieAbstract
Der vorliegende Beitrag untersucht, welche Bedeutung die Rede von biblischen Texten als Subjekten (Mirjam Schambeck) für den RU entwickeln kann, wenn man diese Rede aus geschichtsphilosophischer Perspektive wahrnimmt. Damit wird untersucht, von welchem Anspruch biblischer Texte in der Zeit individualisierter Religiosität und im Kontext des RU noch sinnvoll gesprochen werden kann. Deutlich wird, dass ein Beharren auf der Rede des Anspruches eines Textes nicht restaurativ oder prä-konstruktivistisch gelesen werden muss, sondern demgegenüber wesentliches Potential für einen Beitrag zur Wissenskultur der Gegenwart besitzt. Um die damit verbundene post-traditionale Wirkfähigkeit biblischer Texte im RU zu verdeutlichen, wird maßgeblich auf das Denken Walter Benjamins Bezug genommen. In Auseinandersetzung mit dem Denken Benjamins wird nach der Wirkkraft einer „ausgestellten“ Tradition gefragt. Das geschichtsphilosophische Bewusstsein, dass in Texten auch Stimmen der Vergangenheit mit einem Anspruch an die Gegenwart enthalten sind, verdeutlicht die Notwendigkeit, dass in Prozessen religiöser Bildung diese Texte in ihrer Bedeutungsoffenheit und ihrer politischen Dimension aufs Spiel gesetzt werden müssen, um jenseits traditionaler Grenzen in den Lebenskontexten der Schüler*innen wirkfähig werden zu können.
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